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Serie

Von polarisierenden Kontroversen zu konstruktiven Dialogen

Die Harvard-Prinzipien angewandt auf den Journalismus: Wie Journalistinnen und Journalisten sich von Ansätzen aus der Mediation inspirieren lassen können, um Praktiken für konstruktiven Dialog zu entwickeln und anzuwenden - wenn sie Diskussionen moderieren oder über strittige Themen berichten. Teil 11 der Reihe "Psychologie im Journalismus".

Von Margarida Alpuim und Katja Ehrenberg

Abstrakte Darstellung von Kommunikationselementen mit einem lachenden Charakter, einem Mikrofon und stilisierten Mediengeräten, um die Dynamik der Medienpsychologie zu veranschaulichen.

Einleitung

1979 wurde an der Harvard University's School of Law ein neues Programm ins Leben gerufen, welches das Feld der Mediation und Verhandlungsführung nachhaltig beeinflussen sollte: das Harvard Negotiation Project. Gegründet wurde das Projekt von Roger Fisher, einem international anerkannten Mediator und Verhandlungsführer, und zwei seiner damaligen Studenten, William Ury und Bruce Patton (seinen späteren Co-Autoren). Da Fisher im Zweiten Weltkrieg gekämpft hatte und von den negativen Folgen des Konflikts, unter anderem dem Verlust seiner Freunde, tief betroffen war, engagierte er sich leidenschaftlich für die Entwicklung von Mediationsmethoden. Das Harvard Negotiation Project widmete sich der Erforschung und Schulung gewaltfreier Formen der Konfliktlösung - auch bei hochrangigen Disputen zwischen Regierungen oder Unternehmen. 

 

Aus diesem Projekt gingen die Harvard Principles of Negotiation hervor, eine Art Leitfaden für das Erreichen von Vereinbarungen, die von allen Beteiligten akzeptiert werden und für sie angenehm sind. Diese Grundsätze wurden in dem Buch Getting to Yes: Negotiating an agreement without giving in, das 1981 erstmals veröffentlicht wurde, zusammengefasst (1). Mehr als 40 Jahre später ist das Harvard-Modell zu einer Standardreferenz im gesamten Bereich geworden.

Auch wenn Journalistinnen und Journalisten weder Richter noch Mediatoren sind, gehört es oft zu ihrem Job, Gespräche zu moderieren, in denen verschiedene Interessengruppen (im Idealfall) ihre Sichtweisen verständlich zum Ausdruck bringen können. Eine solche Haltung sowie "das authentische Interesse an unseren Interviewpartnern kann vollkommen andere Positionen als erwartet zutage fördern – und neue Erkenntnisse, die zu besseren Geschichten führen", wie Ellen Heinrichs, Gründerin und Geschäftsführerin  des Bonn Institute, in ihrem Artikel "Was der Journalismus von der Mediation lernen kann" (2) betont. Im konstruktiven Journalismus geht es ja unter anderem darum, dass verschiedene und nuancierte Standpunkte zum Ausdruck gebracht werden (nicht nur zwei Seiten oder "Ja-oder-Nein"-Antworten); dass Gemeinsamkeiten in den Blick genommen werden, wenn die Beteiligten scheinbar "verschiedene Sprachen sprechen", aber vielleicht mehr gemeinsame Interessen haben, als auf den ersten Blick ersichtlich ist; und dass Medien ihren Beitrag dazu leisten, dass eine bessere Zukunft für alle möglich wird.. 

Medienschaffende können davon profitieren, wenn sie die Harvard-Verhandlungsprinzipien von Fisher und Kollegen (1) als Inspirationsquelle nutzen, um Interview- und Berichterstattungspraktiken zu entwickeln, die Polarisierung vermeiden und zu konstruktiveren Dialogen führen.

In diesem Artikel werden wir ...

  • die Harvard Principles of Negotiation vorstellen;
  • Beispiele dafür geben, wie diese Grundsätze in konstruktive journalistische Praktiken umgesetzt werden können, insbesondere bei Interviews, Debatten und Podiumsdiskussionen;
  • erklären, wie wissenschaftliche Forschung aus der Psychologie unser Verständnis von Konflikten und Polarisierung vertiefen kann;
  • Tools und Tipps vorschlagen, die auf den Harvard-Prinzipien basieren und für alle Phasen der Berichterstattung gelten: Vorbereitung und Recherche, Interviews, Storytelling und Redaktion.

Was sind die Harvard-Prinzipien der Verhandlung?

Ein offener Geist ist kein leerer Geist.

Fisher, Ury & Patton, 1991

Es gibt viele Ansätze zur Mediation von Konfliktprozessen. Einige Merkmale haben sie jedoch alle gemeinsam: Gegensätzliche Ideen werden präsentiert, die Teilnehmenden sind bereit, trotz der Meinungsverschiedenheiten miteinander zu kommunizieren, und es sind verschiedene Lösungen möglich (3). 

Die Harvard Principles of Negotiation oder Principled Negotiation (1) sind im Wesentlichen eine Verhandlungsmethode, die darauf abzielt, Konflikte auf faire Weise zu lösen:

  • die Interessen aller Parteien so weit und so gleichermaßen wie möglich zu berücksichtigen (Win-Win-Ansatz);
  • Lösungen zu finden, die nachhaltig sind, weil die Akzeptanz der Ergebnisse hoch ist;
  • die Beziehung zwischen den Parteien zu erhalten - oder zumindest nicht (weiter) zu schädigen.

Der Harvard-Ansatz unterscheidet sich von den sogenannten "Positionsverhandlungen", bei denen die Beteiligten häufig eine starke Position einnehmen,darauf beharren und sich gegenseitig bekämpfen, wobei mindestens eine der Parteien den Prozess als Verlierer verlässt. In diesen Fällen kommt es häufig zu Wut und Unmut sowie zu der natürlichen Reaktion, nicht mehr mit diesem Gegenüber verhandeln zu wollen (1).

Bei einer prinzipiengeleiteten Verhandlung hingegen konzentrieren sich die Menschen auf die Interessen, die hinter ihren Positionen stehen, anstatt ihre Positionen zu betonen. Aber was genau bedeutet das?

Betrachte dieses lehrbuchhafte Beispiel: Zwei Schwestern streiten sich um eine Orange. Sie beschließen, dass es fair erscheint, die Orange in zwei Hälften zu teilen. Erst als sie sehen, was die andere mit ihrem Teil der Orange macht, merken sie, dass sie eine Vereinbarung hätten treffen können, die für beide besser gewesen wäre: Die eine hat die Frucht gegessen und die Schale weggeworfen, die andere hat die Frucht weggeworfen und die Schale zum Kuchenbacken verwendet. "Zu viele Verhandlungen enden mit einer halben Orange für jede Seite [Positionsverhandlung] statt mit der ganzen Frucht für die eine und der ganzen Schale für die andere [prinzipiengeleitete Verhandlung]" (1). In einer prinzipiengeleiteten Verhandlung kommt es darauf an, die zugrunde liegenden Bedürfnisse, Sorgen und Wünsche der Menschen zu verstehen.

Diese Methode kann auf allen Entscheidungsebenen angewandt werden - von der Verhandlung von politischen Konflikten, bei denen viel auf dem Spiel steht, wie dem zwischen Israel und Ägypten im Jahr 1978 (wir werden noch ausführlicher darüber sprechen) bis hin zum Alltagsleben von Eltern und Kindern, Paaren, im Arbeitskontext, in Mietangelegenheiten, usw. (1).

Im Journalismus konzentrieren wir uns manchmal zu sehr auf die Positionen und vergessen dabei, die tieferen Bedürfnisse, Sorgen und Wünsche dahinter zu erforschen. Wir hören uns die vermeintlich zwei verschiedenen Seiten einer Geschichte an und geben dann die oft gegensätzlichen Meinungen an das Publikum weiter. Natürlich entsteht so eine polarisierende Erzählung - die eine Seite gegen die andere. Das Gleiche passiert bei Debatten oder Podiumsdiskussionen: Die Teilnehmenden tragen ihre Positionen vor und streiten, wobei jeder die eigenen Vorstellungen von Anfang bis Ende verteidigt, ohne dem Gegenüber wirklich zuzuhören. Journalistinnen und Journalisten können eine Rolle dabei spielen, einfühlsamere Gespräche zu fördern.

Die Harvard Prinzipien der Verhandlungsführung können als Ausgangspunkt dafür dienen, wie Journalistinnen und Journalisten solche Dialoge erleichtern können, wenn sie entweder über Konflikte berichten oder Debatten oder Podiumsdiskussionen moderieren.

Vier inspirierende Prinzipien für den Journalismus

1. Trenne die Menschen vom Problem

Das ist eine dieser Maximen, die leichter gesagt als getan sind. Die Menschen vom Problem zu trennen, bedeutet in diesem Fall nicht, die Emotionen beiseite zu schieben und zu versuchen, eine rationale Diskussion allein über die Sache zu führen. Das Harvard-Modell erkennt an, dass Verhandlungen zwischen Menschen und nicht zwischen Maschinen stattfinden, sodass Beziehungen und Emotionen nicht ausgeschaltet werden können. Es lässt auch Emotionen zu und enthält Empfehlungen, wie man während des Prozesses mit ihnen umgehen kann (1).

Dieses erste Prinzip besagt, dass es wichtig ist, die emotionale Seite der Interaktion nicht zu ignorieren (im Gegensatz zur formalen inhaltlichen Diskussion) und, wenn nötig, einen gewissen Raum für den Ausdruck von Gefühlen zu reservieren. "Befreit von der Last unausgesprochener Emotionen werden die Menschen eher bereit sein, an dem Problem zu arbeiten" (1). Wenn man das Gefühl hat, dass einem selbst sowie den eigenen Anliegen echte Aufmerksamkeit geschenkt wird, wird man eher zuhören und sich auf einen tieferen, kooperativeren und sinnvolleren Dialog einlassen (4). Journalistinnen und Journalisten können ein solches Umfeld fördern, indem sie aktives Zuhören praktizieren. Im Abschnitt Tools und Tipps schlagen wir einige Techniken vor, um dieses Ziel zu erreichen. Du kannst Dir auch das BBC-Projekt Deep Listening ansehen, das speziell für den Journalismus entwickelt wurde, um Menschen bei der Diskussion schwieriger Themen zu unterstützen. (Siehe Kasten für besondere Erkenntnisse über Emotionen in Konflikten, insbesondere über das transformative Potenzial von Hoffnung).

Neben der Möglichkeit, Emotionen auszudrücken, geht es bei einer Verhandlung auch darum, die Menschen vom Problem zu trennen und sich auf die Ideen, statt auf die Person zu konzentrieren. Das Harvard-Modell verwendet den Ausdruck: "Sei sanft zu den Menschen, hart zum Problem" (1). Das heißt, egal wie weit die Standpunkte der Menschen auseinanderliegen, ist es wichtig, dass sie der anderen Person Respekt entgegenbringen und sie mit Würde behandeln.

Auch wenn es sich von der Art und dem Ziel her unterscheidet, ähnelt die Anwendung dieses Prinzips auf Verhandlungen der grundlegenden "Externalisierungstechnik" in der narrativen Therapie - einem in den 1980er Jahren entwickelten Ansatz, der Menschen dabei hilft, ihre Lebensgeschichte zu dekonstruieren und in einem wertschätzenderen Licht neu zu schreiben (7). Diese Technik wird durch den berühmten Gedanken gut veranschaulicht: Die Person ist nicht das Problem, das Problem ist das Problem (z. B. 8). Kurz gesagt bedeutet dies, dass Probleme als äußere Aspekte einer Person betrachtet werden und nicht als Teil ihrer intrinsischen Eigenschaften (8) - das Problem wird angegangen, ohne die eigene Persönlichkeit in Frage zu stellen.

Emotionen in Konflikten: Der Sonderfall Hoffnung

In einem Artikel über Emotionen in Konflikten und Versöhnung nach Konflikten betonen Halperin und Schwartz den Zusammenhang zwischen Emotionen, kognitiven Prozessen und politischen Positionen und Handlungen (5).

Hass, so die Autoren, ist "mit einem hohen Maß an Delegitimierung und Entmenschlichung der gehassten Außengruppe verbunden" (5). Die Outgroup (die Gruppe, der wir nicht angehören) wird als "permanentes Übel" angesehen, und in Bezug auf die Emotionen ist der Hass "das ultimative Hindernis" für Konfliktlösung und Frieden (5).

Hoffnung hingegen ist eine vielversprechende Emotion, da sie mit dem Glauben verbunden ist, dass "eine bessere Zukunft möglich ist". Den Autoren zufolge haben mehrere Studien gezeigt, dass Hoffnung "Zielsetzung, Planung, Verwendung von Bildern, Kreativität, kognitive Flexibilität, mentale Erkundung neuer Situationen und sogar Risikobereitschaft" fördert (5). In einem anderen Artikel (6) wird betont, dass Hoffnung im Kontext von Konfliktlösung sehr wichtig ist, da sie die Einstellung in eine positive Richtung verändern kann. 

Wann immer es also in einem Beitrag über einen Konflikt sinnvoll ist, sollten Journalistinnen und Journalisten Geschichten über Hoffnung in Betracht ziehen, denn als "zukunftsweisendes Gefühl" ermöglicht sie "Einzelpersonen und Gruppen, über Barrieren hinwegzusehen" (5). 

2. Fokus auf Interessen, nicht auf Positionen

Wenn man sich trifft, um einen Konflikt zu lösen, beginnen die Leute normalerweise damit, ihre Position zu dem Problem zu äußern, d.h. die einzig mögliche Lösung, die sie in Betracht ziehen. Bei einer prinzipiengeleiteten Verhandlung versuchen wir, wie bereits erwähnt, die Interessen zu erkennen, die hinter den Positionen der Beteiligten stehen. Nach dem Harvard-Modell ist es aus mehreren Gründen klüger und effizienter zu verhandeln, wenn man die zugrunde liegenden Interessen im Auge behält:

  • Menschen sind weniger angespannt, flexibler und kreativer, wenn es im Gespräch um (verständliche, legitime) Interessen geht und nicht um eine feste Position (1).
  • Forschungsergebnissen zufolge sind die Verhandlungsergebnisse für alle Parteien tendenziell besser, wenn die Menschen ein höheres Maß an Verständnis aufbringen und sich folglich mehr um die Interessen der anderen Person kümmern (9) - im Gegensatz zu Menschen, die an einer einzigen Lösung festhalten und am Ende mehr darauf bedacht sind, ihr "Gesicht zu wahren" als eine Einigung zu erzielen (1). Positive Emotionen scheinen Konfliktlösungen und kreative Problemlösungsfähigkeiten zu fördern und störende Strategien zu verhindern (3).
  • Die endgültige Vereinbarung zielt darauf ab, die tatsächlichen Bedürfnisse aller Seiten zu erfüllen (1). Das entspricht in gewisser Weise dem, was wir im konstruktiven Journalismus "eine gemeinsame Basis finden" nennen. Nicht in dem Sinne, dass die Interessen oder Meinungen übereinstimmen müssen, sondern im Sinne der Suche nach einer Lösung, die allen (oder vielen) Anliegen gerecht wird. Bei der Suche nach Gemeinsamkeiten können Journalistinnen und Journalisten versuchen, ihre Fragen von Meinungen oder Positionen auf Interessen auszuweiten, z. B. durch offene Fragen wie "Welche Ihrer Anliegen möchten Sie in einer möglichen Lösung berücksichtigt sehen?". Im Abschnitt "Tools und Tipps" findest du weitere Beispiele. Journalistinnen und Journalisten können dieses Prinzip nicht nur bei der Moderation von Debatten oder Podiumsdiskussionen im Hinterkopf behalten, sondern auch bei der Aufbereitung einer Geschichte für die Veröffentlichung - indem sie sich auf die Anliegen und Bestrebungen der einzelnen Personen konzentrieren, anstatt auf festgeschriebene Standpunkte.
  • In interessenorientierten Gesprächen bleiben Beziehungen in der Regel erhalten, da (hoffentlich) niemand die Diskussion mit dem Gefühl des Verlierens verlässt und Angriffe auf den Charakter verhindert werden. Eine der im Harvard-Modell vorgeschlagenen Strategien, die zu diesem Ziel beiträgt, ist eine unkonventionelle Art, die Leute im Raum sitzen zu lassen: Anstatt sich auf gegenüberliegenden Seiten des Tisches gegenüber zu sitzen, kann die Moderation die Teilnehmenden auffordern, nebeneinander zu sitzen, mit Blick auf das Problem (zum Beispiel eine Darstellung auf einem Blatt Papier). "Physisch nebeneinander zu sitzen kann die mentale Einstellung verstärken, ein gemeinsames Problem gemeinsam anzugehen" (1).

Im Jahr 2021 versuchte die dänische TV-Sendung "Solved or Squeezed" ein Experiment, das in gewisser Weise einen ähnlichen Ansatz verfolgte: Kommunalpolitikerinnen und -politiker wurden eingeladen, sich in einem Raum vor eine Tafel an der Wand zu stellen und Lösungen für ein reales Problem in ihrer Gemeinde zu finden. Sie hatten nur 20 Minuten Zeit, um eine Einigung zu erzielen. Während dieses Prozesses wurden die Studiowände nach und nach nach innen geschoben und die Teilnehmenden rückten immer näher zusammen - buchstäblich (10). Die Bilder der Show zeigen, dass die Teilnehmenden sich nicht gegenseitig konfrontierten, sondern eine kooperative Haltung einnahmen.

Das Prinzip in Aktion: Die Vermittlung in einem komplexen internationalen Konflikt

Bei den Friedensgesprächen zwischen Israel und Ägypten im Jahr 1978 war es wichtig, sich auf die Interessen und nicht auf die Positionen zu konzentrieren (1). Die beiden Länder waren seit 1948 im Konflikt und nach dem Sechstagekrieg 1967 hatte Israel die Sinai-Halbinsel besetzt. Während der Friedensverhandlungen im Jahr 1978 hatten beide Länder sehr festgelegte Positionen: Israel wollte einen Teil des Sinai behalten, und Ägypten forderte, dass das gesamte Gebiet an das Land zurückgegeben werden sollte. Die Pattsituation wurde schließlich aufgelöst, als sie ihre Interessen statt ihre Positionen betrachteten: Israels Interesse, das Gebiet zu sichern, hatte damit zu tun, dass es das ägyptische Militär nicht an seiner Grenze haben wollte; und Ägypten war daran interessiert, die Sinai-Halbinsel zu behalten, weil das Gebiet historisch gesehen ihnen gehörte (11). Auf der Grundlage dieser Interessen einigten sie sich darauf, dass Ägypten das Gebiet zurückerhält, aber einen Teil des Gebiets entmilitarisiert lassen muss, um Israels Sicherheit zu gewährleisten (1).

Hinweis: Wir verwenden diesen Fall als bekanntes Beispiel aus dem realen Leben, das zeigt, wie wichtig die Konzentration auf Interessen (und nicht auf Positionen) selbst bei Gesprächen auf hoher Ebene zwischen Ländern sein kann. Mit diesem Beispiel wollen wir nicht suggerieren, dass der allgemeine Konflikt in der Region 1978 gelöst wurde, und wir vertreten auch nicht die Position, dass es einfache Rezepte gibt, um sehr komplexe diplomatische oder zwischenmenschliche Konflikte zu lösen.

3. Brainstorming von Lösungen

Nachdem man sich auf das Problem konzentriert und die Interessen hinter den anfänglichen Positionen verstanden hat, werden die Beteiligten aufgefordert, verschiedene Lösungen zu generieren. Der ursprüngliche Name des Prinzips im Kontext von Verhandlungsführung lautet "Invent options for mutual gain" (1). Das Harvard-Modell schlägt vor, dass alle Seiten im Voraus eine Liste möglicher Lösungen vorbereiten, die ihre Bedürfnisse erfüllen und die es ihnen ermöglichen würden, in der Verhandlung zu einem "Ja" zu kommen. 

Im Einklang mit diesem Prinzip können journalistische Kontexte Raum für Debatten schaffen, in denen die Teilnehmenden aufgefordert werden, Ideen zu entwickeln, die über die anfänglich präsentierten Positionen hinausgehen und das Thema von neuen Gesichtspunkten aus angehen. Eine solche Diskussionskultur kann durch die Einführung kollektiv orientierter, lösungsorientierter Fragen gefördert werden - zum Beispiel: "Was würdest Du in einer idealen Welt ohne finanzielle oder zeitliche Zwänge vorschlagen, das alle Beteiligten zufriedenstellen würde?"

4. Faire Kriterien finden

Schließlich schlägt das Harvard-Modell vor, dass sich alle Seiten darauf einigen, objektive Kriterien zur Bewertung möglicher Lösungen anzuwenden ("Insist on using objective criteria" im Original). Die Idee ist, eine Lösung zu finden, die auf Kriterien beruht, die für alle Beteiligten akzeptabel sind, und nicht auf Druck oder Macht (1).

Als Journalistin oder Journalist kannst Du dieses Prinzip zum Beispiel in Deine Fragen einbauen: Bei der Entwicklung eines Radwegenetzes in einer Stadt hat der Bürgermeister vielleicht Routenpläne, mit denen andere Interessengruppen - wie Bürgerschaft, Geschäftsleute usw. - nicht einverstanden sind, und sie haben vielleicht Vorschläge für andere Routen. Du kannst jeden Interessenvertreter fragen, welche Kriterien seiner oder ihrer Meinung nach als Maßstab für die Bewertung der Vorschläge dienen könnten. Da solche Fragen zukunftsorientiert sind und sich darauf konzentrieren, was funktionieren könnte, tragen sie dazu bei, den Ton für einen wertschätzenden Ansatz zu setzen, die Situation zu entwirren und eine Einigung zu erzielen, mit der alle zufrieden sind.

Verhandlungs-Ju-Jutsu

Während Du die Beschreibung der vier Prinzipien gelesen hast, sind Dir vielleicht Fälle eingefallen, in denen dieses Modell gescheitert ist oder nicht ausgereicht hat, um die Gräben zu überwinden. Manchmal wollen sich ein oder mehrere Gesprächspartner nicht auf einen konstruktiven Diskussionsansatz einlassen und greifen andere Personen oder deren Vorschläge an. Wenn das passiert: "Schlage nicht zurück" (wie die Autoren der Harvard-Prinzipien sagen; 1). Sie raten, "den Teufelskreis zu durchbrechen, indem Du Dich weigerst, zu reagieren", und die Kraft der Angreifer zum gemeinsamen Vorteil zu nutzen:indem Du ihre Energie umleitest, genau wie im Kampfsport. Sie nennen das "Verhandlungs-Ju-Jutsu":

  • Akzeptiere ihren Standpunkt weder, noch lehne ihn ab, sondern versuche, die Interessen dahinter zu verstehen. Das kannst Du tun, indem Du fragst: "Welche Bedürfnisse und Anliegen werden mit diesem Vorschlag erfüllt?" (z.B. "Welche Bedürfnisse und Anliegen werden durch die Bereitstellung von X Euro aus dem städtischen Haushalt für diese Initiative erfüllt?") und anschließend: "Welche anderen Optionen gibt es, um diese Ziele zu erreichen?" Mit solchen Fragen ist es wahrscheinlicher, dass Du Antworten erhältst, die es Dir ermöglichen, das Gespräch auf andere, weniger polarisierende Optionen zu lenken.
  • Wenn Teilnehmende die Vorschläge anderer Leute angreifen, versuche, die Bedenken zu verstehen. Du kannst fragen: "Wenn Du einen oder zwei Absätze zu diesem Vorschlag hinzufügen könntest, um auch Deine Bedenken zu berücksichtigen, was würdest Du ergänzen?", "Welche Option könnte Deiner Meinung nach Deine Bedenken berücksichtigen, ohne die der anderen zu vernachlässigen?". Wenn Du so vorgehst, bringst Du das Gespräch nicht nur auf eine konstruktivere Basis, sondern zeigst zugleich Einfühlungsvermögen.

Einsichten aus der Psychologie: Das Einigungs-Paradox und "falsche” Polarisierung

Die psychologische Forschung kann Medienschaffenden dabei helfen zu verstehen, woher die Polarisierung kommt und warum konstruktivere Ansätze zur Konfliktbewältigung und -lösung für alle Beteiligten von Vorteil sind - für Journalistinnen und Journalisten, ihre Gesprächspartner und das Publikum.

In anderen Artikeln dieser Reihe haben wir uns mit einigen wichtigen psychologischen Konzepten befasst, die zu dieser Diskussion beitragen, darunter kognitive Verzerrungen und mentale Fallen, die unsere Interpretation von Ereignissen verzerren und zu vereinfachenden Erklärungen von Ereignissen und Verhaltensweisen führen; Gemeinschaftssinn und sein Fokus auf das, was Menschen verbindet; Reihenfolgeeffekte bei der Verarbeitung von Informationen, die prägen, wie sowohl Berichterstattende als auch das Publikum über die Welt denken; und wie Stereotypen entstehen und sich hartnäckig halten (und wie man ihnen begegnen kann).

Hier wollen wir zwei weitere Ebenen hinzufügen, um die Betrachtungen über Konfliktentstehung und Polarisierung zu "verkomplizieren": wie der Druck zur Einigung zu Uneinigkeit führen kann (und was wir dagegen tun können) und wie ein falsches Gefühl von Polarisierung entstehen kann.

Das Einigungsparadox 

Die Autoren eines kürzlich erschienenen Buchkapitels darüber, "wie der Druck, mit anderen übereinzustimmen, letztendlich zu mehr gesellschaftlicher Spaltung führt" (12), schlagen vor, dass ein zu großer Druck, eine Einigung zu erzielen, kontraproduktiv sein kann. Sie nennen es "das Einigungsparadox". Druck schafft die Möglichkeit einer "kurzfristigen, oberflächlichen Einigung", untergräbt aber langfristig eine nachhaltige Einigung (12). "Es ist, als würde man ein Gebäude mit Rissen im Fundament bauen - früher oder später wird es einstürzen" (12). Diese Autoren stellen die Hypothese auf, dass es zwei "Risse" im Fundament einer unter Druck stehenden Vereinbarung gibt: psychologische Reaktanz und Informationskontamination.

Bei der psychologischen Reaktanz geht es darum, dass Menschen sich dem sozialen Einfluss anderer widersetzen, wenn sie das Gefühl haben, dass der Druck, sich zu fügen, ihnen die Entscheidungsfreiheit nimmt (13). Ein klassisches Beispiel ist, wenn Kinder das Gegenteil von dem tun, was ihre Eltern ihnen sagen (13). Ein weiterer anschaulicher Fall, der noch weiter betrachtet werden wird, ist das reaktive Verhalten von Bürgerinnen und Bürgern gegenüber den Einschränkungen, die während der COVID-19-Pandemie auferlegt wurden (z. B. Widerstand gegen Maskenauflagen; 14). 

Informationskontamination bezieht sich auf eine Situation, in der "ein Kommunikator als manipulativer und weniger aufrichtig angesehen wird, wenn er Meinungen äußert, die mit dem wahrgenommenen Druck von außen übereinstimmen" (13), was dazu führt, dass Menschen sich nicht auf seine Argumente einlassen wollen.

Diese Ergebnisse sind ein gutes Argument dafür, im Journalismus zu versuchen, Gespräche zu fördern, in denen

  • wir die wahren Bedürfnisse und Ansichten der Betroffenen kennenlernen;
  • die Teilnehmenden sich respektiert und frei von Druck fühlen, bestimmte Meinungen zu vertreten;
  • es Raum für einen einfühlsamen Dialog gibt, der die Suche nach einer gemeinsamen Basis erleichtern könnte.

Es bleibt zu hoffen, dass solche Dialoge zu Lösungen führen, die langfristig tragfähiger sind und zu qualitativ besseren, potenziell nachhaltigeren Beziehungen führen. 

“Falsche” Polarisierung?

Der Begriff "falsche Polarisierung" ist irreführend - denn Polarisierung gibt es tatsächlich. Dieses Phänomen bezieht sich auf die Beobachtung, dass die Überzeugungen von Menschen über Polarisierung ungenau und zwar "wesentlich extremer" sind, als der tatsächliche (Meinungs-)Abstand zwischen den Gruppen, was wiederum die tatsächliche Polarisierung und den Konflikt zwischen den Gruppen verstärkt (15). In einer Studie wurden Personen, die im Themenfeld Abtreibungsrechte auf unterschiedlichen Seiten standen, verschiedene Abtreibungsszenarien vorgelegt. Als die Teilnehmenden einschätzen sollten, wie die Personen der Gegenseite diese Szenarien bewerten würden, "überschätzten sie die Extremität der Ansichten der anderen Seite erheblich" (16).

In früheren Artikeln haben wir einige der kognitiven Prozesse erörtert, die diesem Akzentuierungseffekt zugrunde liegen, z. B. als wir den Prozess der Kategorisierung analysiert haben ("der Prozess, durch den Objekte, Ereignisse, Menschen oder Erfahrungen in Klassen eingeteilt werden", basierend auf gemeinsamen Merkmalen und der Übertreibung von Unterschieden zwischen den Klassen, 17; siehe Artikel 9 über Stereotypen). Kategorisierung verschärft die Polarisierung, weil sie die Unterschiede zwischen den Mitgliedern verschiedener Kategorien, z. B. den Anhängern politischer Parteien, verstärkt und die vielfältigen individuellen Unterschiede innerhalb einer Kategorie weitgehend ignoriert; insbesondere die Mitglieder von Outgroups werden als "alle gleich" angesehen (Outgroup-Homogenitätseffekt; 18). 

"Unlösbare Konflikte können entstehen, wenn politische Auseinandersetzungen zu stark vereinfacht werden und an Nuancen verlieren" (15), wie zum Beispiel bei der sogenannten "Moralisierung", wenn die Präferenzen einer Person (z.B. rauchen oder nicht rauchen) als Werte mit starken moralischen Implikationen gerahmt werden (19). Durch Moralisierung verwandeln Menschen ansonsten komplexe Analysen in "moralisierte Dispute", die ein "binäres Schwarz-Weiß-Denken" kultivieren (15).

Journalistinnen und Journalisten können eine aktive Rolle spielen, um diesen Prozessen entgegenzuwirken. Eine Möglichkeit besteht darin, den Menschen vielschichtige, nuancierte Informationen zur Verfügung zu stellen: Eine Studie hat gezeigt, dass Menschen, denen ein Text mit komplexeren Ansätzen zu traditionell kontroversen Themen (z. B. Abtreibung, Sterbehilfe) vorgelegt wurde, sich besser auf Gespräche mit Menschen mit gegenteiligen Ansichten einlassen konnten (20). Eine andere Möglichkeit wäre, Zeit und einen sicheren Raum zu bieten, in dem die Teilnehmenden ausführliche Sachinformationen lesen und/oder anhören und ihre eigenen Standpunkte und Zweifel mitteilen können. Ein erfolgreiches Beispiel für diese Art von Veranstaltungen ist das Projekt "America in One Room" - soziale Zusammenkünfte, bei denen Hunderte von Wahlberechtigten aus dem ganzen Land zusammenkommen, um über bestimmte politische Vorschläge zu diskutieren. Dabei wird eine Methode angewandt, die nachweislich "starke, depolarisierende Veränderungen in politischen Einstellungen und eine große Abnahme der emotionalen Polarisierung" bewirkt (21; mehr dazu in diesem Artikel der New York Times: "These 526 Voters Represent All of America. And They Spent a Weekend Together"). Weitere Ideen findest Du im folgenden Abschnitt "Tools und Tipps".

Tools und Tipps

Vorbereitung und Recherche

  • Wenn Du Dich auf ein Gespräch oder eine Debatte vorbereitest, solltest Du Dich über die Interessen, den Hintergrund und die Kultur Deines Gesprächspartners informieren. Versuche zu verstehen, worauf er am meisten Wert legt, was seine Bedürfnisse sind und worüber er sich Sorgen macht.
  • Wenn Du über ein sensibles Thema berichtest, solltest Du vor dem Interview einige Zeit mit den Menschen in ihrem eigenen (sozialen) Umfeld verbringen.
  • Überlege Dir im Voraus, wie Dein Hintergrund und Deine sozialen Gruppen Deine Interpretation der Positionen und Interessen derer, über die Du berichtest, beeinflussen könnten. Fühlst Du Dich einer der Gruppen, über die Du berichten wirst, näher als anderen? Bitte Kolleginnen und Kollegen oder andere Menschen, Dir zu helfen, mögliche blinde Flecken zu erkennen. Vielfalt in der Redaktion kann ein großer Gewinn für eine achtsame Berichterstattung sein.
  • Sei darauf vorbereitet, mit Deinen eigenen Emotionen umzugehen. Lerne, Deinen emotionalen Zustand zu erkennen (1): Bist Du nervös? Bist Du entspannt? Wütend? Ängstlich? Woher kommen diese Gefühle? Wie möchtest Du Dich während der Moderation der Debatte (zum Beispiel) fühlen, und warum? Was kannst Du im Vorfeld tun, um Dich darauf vorzubereiten? Was kann Dich während der Debatte aus dem Gleichgewicht bringen und was kannst Du tun, um Dein Gleichgewicht wiederzufinden? (inspiriert von 22).

Interviews/Paneldiskussionen

  • Konzentriere Dich auf die Bedürfnisse, Interessen und Bedenken, die hinter den Positionen der Menschen stehen. Stelle (offene) Fragen wie: "Was erwartest Du, mit diesem Vorschlag zu erreichen?", "Was könnte noch in den Vorschlag aufgenommen werden, damit Du das Gefühl hast, dass Deine Anliegen gut berücksichtigt werden?" (1).
  • Schürfe nach Gold. Auch wenn Du die Position eines Gastes oder Interviewpartners nicht magst, versuche, sie in einem anderen Licht zu sehen, um während des Gesprächs authentischen Respekt und Wertschätzung aufrechtzuerhalten: Frag Dich, ob hinter dem Aspekt, den Du ärgerlich oder sogar abstoßend findest, ein "ehrenwertes Motiv" oder ein menschliches Bedürfnis steckt, das Du schätzen kannst. Versuche, an Worte zu denken, die die Person selbst (oder ihre Familie oder Freundinnen und Freunde) verwenden könnte, um das zu beschreiben, was Du störend findest. Diese Art der Umdeutung (reframing) kann Dir dabei helfen, "sanft zur Person" zu sein, auch wenn es Dir schwerfällt.
  • Konzentriere Dich auf die gemeinsame Basis. Versuche Fragen zu stellen, die aufzeigen, was für alle Teilnehmenden wichtig ist: "Welche Aspekte des Gesagten decken sich mit Euren eigenen Anliegen oder Bedürfnissen?", "Wenn Ihr eine allgemeine Aussage treffen müsstet, der Ihr alle zustimmt, welche Aspekte würde die beinhalten?". Du kannst auch ein oder zwei Aspekte herausarbeiten, denen alle zuzustimmen scheinen. 
  • Denke daran, ein lösungsorientiertes Gespräch anzuregen: "Welche Interessen/Bedürfnisse/Sorgen teilst Du mit anderen Menschen?"; "Welche Möglichkeiten würden sich ergeben, wenn Ihr Euch auf einen Vorschlag einigt, der für alle von Vorteil ist?".
  • Bedenke, dass die wichtigsten Interessen für manche Menschen die menschlichen Grundbedürfnisse sind - Sicherheit, Freiheit, Kontrolle über das eigene Leben, Anerkennung, wirtschaftliches Wohlergehen und Stabilität, Bindung, ein Gefühl von Zugehörigkeit (1).
  • Praktiziere und fördere aktives Zuhören sowohl bei Interviews als auch bei der Moderation von Podiumsdiskussionen. Einige der wichtigsten Verhaltensweisen des aktiven Zuhörens sind: sich auf die Person konzentrieren, die spricht (ohne sich von anderen Personen, dem Handy, Notizen usw. ablenken zu lassen); Unterbrechungen vermeiden; echtes Einfühlungsvermögen für das zeigen, was die andere Person fühlt und mitteilt, nicht dass du zustimmst oder nicht zustimmst; umschreiben (z.B. "Das habe ich aus Deinen Worten herausgehört: [...]. Habe ich das richtig verstanden?") und Folgefragen stellen ("Während ich Dir zugehört habe, hatte ich den Eindruck, dass Dir der Teil über [...] besonders wichtig zu sein scheint. Kannst Du das näher erläutern?"). 

Storytelling/Redaktion

  • Denke daran, gemeinsame Interessen und andere Gemeinsamkeiten, auf die Du in den Gesprächen gestoßen bist, in die Geschichte aufzunehmen.
  • Wenn es angebracht ist, solltest Du Geschichten und/oder Berichte über Hoffnung in der Situation, über die Du berichtest, einbeziehen. Denke daran, dass Hoffnung dazu beiträgt, die Menschen für neue Möglichkeiten zu öffnen und die Einstellung zu einem Konflikt (positiv) zu verändern (8).
  • Achte genau auf die Sprache, die Du verwendest. Achte darauf, dass Deine Worte einen Ansatz widerspiegeln, der die Interessen, Bedürfnisse und Anliegen der Menschen in den Mittelpunkt stellt - vermeide es, geschlossene/engstirnige Positionen zu betonen. Denke auch darüber nach, wie sich Deine Werte und Erfahrungen auf die Sprache auswirken, mit der Du die Ideen derjenigen beschreibst, über die Du berichtest - Bezeichnungen, Verben, Reihenfolge der Wörter/Sätze usw. (Mehr über die Macht der Sprache findest Du in Artikel 2 dieser Reihe sowie in Artikel 7 über Reihenfolgeeffekte und Artikel 9 über Kategorisierung und Stereotypisierung).
  • Gehe Deine Geschichte am Ende nochmal durch und frage Dich: "Trägt meine Geschichte dazu bei, alle Beteiligten als menschlich zu zeigen?"

Out-of-the-box-Formate

  • Für innovativere Podiumsdiskussionen oder Debatten kannst Du verschiedene Formate ausprobieren - zum Beispiel, indem Du Menschen auf derselben Seite stehen oder sitzen lässt, die gemeinsam eine Darstellung des jeweiligen Themas betrachten. So werden die Teilnehmenden dazu angeregt, sich auf das Thema zu konzentrieren und nicht auf die anderen.
  • Schaffe originelle Gesprächsräume für Dein Publikum. Lass Dich von Projekten wie der weltweiten Suche des Journalisten Bastian Berbner nach Menschen inspirieren, die ihren Hass überwunden haben und Freunde geworden sind (das Projekt gipfelte in einem BuchIn Search of Common Ground: Inspiring True Stories of Overcoming Hate in a Divided World), oder die oben erwähnten America in One Room Events.

Über die Autorinnen der Serie

Margarida Alpuim ist eine portugiesische Psychologin und Journalistin. Sie hat ihren Master in Gemeindepsychologie an der Universität von Miami absolviert und sich dabei auf Themen rund um kollektives Wohlbefinden konzentriert. Als Journalistin möchte Margarida konstruktivere Wege gehen, um Geschichten zu erzählen und dabei sowohl das Publikum als auch Fachleute berücksichtigen. Heute arbeitet Margarida von Lissabon aus an innovativen Projekten, um Psychologie und Journalismus zusammenzubringen.
 

Katja Ehrenberg ist promovierte Psychologin und Professorin an der Hochschule Fresenius in Köln. Seit bald 25 Jahren lehrt, forscht und publiziert sie zu anwendungsnahen Themen der Sozial-, Kommunikations-, Organisations- und Gesundheitspsychologie. Als freie systemische Beraterin begleitet sie Teams und Einzelpersonen und genießt es, sozialwissenschaftliche Erkenntnisse für die unterschiedlichsten praktischen Herausforderungen im menschlichen (Arbeits-)Alltag nutzbar zu machen.
 

Literaturverzeichnis

  1. Fisher, R., Ury, W., & Patton, B. (1991). Getting to Yes: Negotiating Agreement without Giving In (2nd ed.). London: Random House Business Books.
  2. Heinrichs, E. (2023, September 10). Was Journalismus von der Mediation lernen kann [What journalism can learn from mediation]. Journalist. https://www.journalist.de/startseite/detail/article/was-journalismus-von-der-mediation-lernen-kann 
  3. Prassa, K., & Stalikas, A. (2020). Towards a Better Understanding of Negotiation: Basic Principles, Historical Perspective and the Role of Emotions. Psychology, 11, 105-136. https://doi.org/10.4236/psych.2020.111008 
  4. Weger, H., Castle Bell, G., Minei, E.M., & Robinson, M.C. (2014). The Relative Effectiveness of Active Listening in Initial Interactions. International Journal of Listening, 28, 13 - 31.
  5. Halperin, E., & Schwartz, D. (2010). Emotions in conflict resolution and post-conflict reconciliation. Les Cahiers Internationaux de Psychologie Sociale, 87, 423-442. https://doi.org/10.3917/cips.087.0423
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