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„Raus aus der Pressekonferenz und rein ins echte Leben“

Wie lässt sich das Medienvertrauen stärken? Was Tagesschau-Chef Marcus Bornheim Journalistinnen und Journalisten rät – und warum Hanna Israel, Projektleiterin von „My Country Talks“, Zuhören für so wichtig hält.

A news show cameraman sits behind the camera which is focused on a trio of figures in a news program,
Ein Bild von Marcus Bornheim

Marcus Bornheim

Erster Chefredakteur von ARD-aktuell

Ein Porträt von Hanna Israel

Hanna Isreal

Projektleiterin "My Country Talks" von ZEIT Online

Ohne Vertrauen ist alles nichts: Wenn Mediennutzende das Vertrauen in den Journalismus verlieren, hat nicht nur die Branche ein Problem. Denn Medien sind die wichtigsten Vermittler von politischer Information. Sie liefern das Fundament für die Meinungs- und Willensbildung und für einen politischen Diskurs, der die Gesellschaft weiterbringt. Wird dieses Fundament brüchig, ist auch die Demokratie in Gefahr.

In Zeiten von Krieg, Krisen und gesellschaftlicher Polarisierung ist es für Journalistinnen und Journalisten deshalb umso wichtiger, sich das Vertrauen der Menschen Tag für Tag zu erarbeiten. Weltweit hat das Medienvertrauen jedoch zuletzt arg gelitten. In Deutschland ist es über einen längeren Zeitraum betrachtet zwar relativ stabil, doch sind laut Reuters Digital News Report auch hierzulande lediglich die Hälfte der Befragten der Ansicht, man könne dem Großteil der Nachrichten in der Regel vertrauen. Das sind drei Prozentpunkte weniger als im Vorjahr 2021 (53 Prozent) (weitere relevante Daten haben wir hier zusammengefasst).

Unser Ziel ist es, die Leserinnen und Leser zu stärken.

Hanna Israel, "My Country Talks"

Wie aber geht das – Vertrauen aufbauen und stärken? Das haben wir kürzlich zwei profilierte deutsche Medienschaffende gefragt – Hanna Israel, Projektleiterin der von Zeit Online initiierten internationalen Plattform „My Country Talks“, und Marcus Bornheim, Erster Chefredakteur von ARD-aktuell. Er ist unter anderem verantwortlich für die Tagesthemen und die Tagesschau. Letztere besetzt im Reuters Digital News Report 2022 abermals den Spitzenplatz („Vertrauen in Nachrichtenmarken“). Worauf kommt es aber im redaktionellen Alltag an, wenn es um das Stärken von Vertrauen geht? Bornheim hält viel von lösungsorientierten Ansätzen – das sind seine Tipps:

  • Nimm Dir Standardtermine vor, die relevant sind und mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Nachricht werden. Stell Dir vorab die Frage: Wie könnte hier eine lösungsorientierte Erzählung aussehen? Dafür muss man gedanklich einen Schritt zur Seite treten, um das Thema aus einem anderen Winkel zu betrachten.
  • Cool bleiben. Nicht jeder Nachrichtentag bietet die Gelegenheit, einen lösungsorientierten Ansatz zu wählen. Aber morgen ist ein neuer Tag.
  • Es gibt mehr als die klassischen Formate, um Nachrichten lösungsorientiert zu erzählen. Häufig gehen schon Erklär-Beiträge oder einzelne Erklär-Elemente in die richtige Richtung. Manchmal sind Podcasts besser als die Vier-Zeilen-Meldung.
  • Manchmal hilft schon der Themenmix, um die klassische Logik einer Nachrichtensendung zu durchbrechen, und somit Platz zu machen für einen lösungsorientierten Ansatz.

Auch bei „My Country Talks“ von Zeit Online ist viel Platz für Lösungsorientierung und für neue Perspektiven. Ziel ist es, mithilfe eines Matching-Algorithmus‘ Menschen mit möglichst unterschiedlichen Meinungen miteinander ins Gespräch zu bringen, um unter anderem gesellschaftlicher Polarisierung entgegenzuwirken. Mehr als 200.000 Menschen aus verschiedenen Ländern haben sich an den Projekten inzwischen beteiligt – und es werden immer mehr: Am 24. September starten die „Thailand Talks“. Wir haben Projektleiterin Hanna Israel gefragt, worauf es ankommt, wenn Medienhäuser Vertrauen stärken wollen. Das sind ihre Empfehlungen:

  • Zuhören und Stimmen hörbar machen: „My Country Talks“ lässt Leserinnen und Leser mit Menschen diskutieren, die völlig anders denken als sie selbst. Wir berichten dann über ihre Gespräche. Das eröffnet Raum für eine Vielzahl von Ansichten. Unser Ziel ist es, die Leserinnen und Leser zu stärken, sowohl als Empfänger als auch als Sender.
  • Ruhig bleiben: Soziale Medien machen vielen von uns das Leben schwer. Versuch Dich von hitzigen, oft irrationalen Debatten zu distanzieren und gib‘ dem Diskurs die Aufrichtigkeit und Gelassenheit, die er verdient. Das macht Dich vertrauenswürdig.
  • Beweise Integrität: Ziel des Journalismus sollte es immer sein, Machtmissbrauch aufzudecken, Politikerinnen und Politiker herauszufordern und ihre Agenda zu dekonstruieren. Wenn die Leserinnen und Leser verstehen, dass dies Deine intrinsische Motivation ist, werden sie Dir vertrauen.

In unserem deutsch- und englischsprachigen Newsletter zum Thema Vertrauen findest Du weitere Tipps, wie sich im Redaktionsalltag das Vertrauen in Medien stärken lässt. Damit diese auch künftig als glaubwürdige und verlässliche Vermittler wahr- und ernstgenommen werden. Und damit das Fundament der Demokratie nicht erodiert. (plin)

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